Die Fähigkeit, „Nein“ zu sagen, ist der erste Schritt zur Freiheit. Schockierend!
Oft haben wir gefühlt tausend Verpflichtungen, Verbindlichkeiten und Bitten anderer zu erfüllen und fühlen uns überfordert und dunnhäutig. Der einzige Weg raus, besteht eigentlich nur darin, endlich Nein zu sagen.
Wenn du bereits an dem Punkt angekommen bist, Glückwunsch. Wenn nicht, willkommen im Club. Eine weitere Sache, die wir dann wohl in Selfcareology zu lernen haben.
Das erste Mal, dass ich überhaupt davon gehört habe, dass Nein zu sagen mir gut tun soll, habe ich in der Therapie. Klingt dumm, aber ich habe die Bedeutung null verstanden und ehrlich gesagt davor auch noch nie wirklich darüber nachgedacht. Es ist nicht so, dass ich noch nie Nein gesagt hätte, aber ich habe sicher nicht darauf geachtet, ob es mir irgendwie gut tut oder nicht. Dafür habe ich oft auf die Situationen geachtet, in denen ich Ja gesagt habe, und mein anfängliches Bauchgefühl war: „Wtf, nein, nein, nein. Sag Nein.".
Ich hatte und habe stellenweise noch immer Probleme damit, Nein zu sagen. Ich meine, es ist besser geworden, viel besser. Aber es gibt definitiv noch viel Raum für Verbesserungen. Wie in anderen Bereichen gibt es auch hier Gründe, warum wir das nicht so einfach können. Das sind alte Gewohnheiten und Glaubenssätze und unser guter alter Freund namens Angst. Die Angst davor, ausgeschlossen, abgelehnt und verlassen zu werden. Die Angst, danach nicht mehr geliebt oder jemals wieder eingeladen zu werden. Und sicherlich noch individuelle Gründe, die alle hauptsächlich auf unser Selbstwertgefühl zurückzuführen sind. Unser ständiger Maßstab für viele ungesunde, selbstaufgebende Verhaltensweisen.
In der Vergangenheit habe ich oft Ja gesagt, obwohl ich wusste, dass ich bestimmte Dinge nicht tun möchte oder ich einfach gerade weder geistig, emotional noch körperlich dazu in der Lage war. Nachdem ich Ja gesagt hatte, ließ es mich den ganzen Tag nicht mehr los und der innere Kampf zwischen meinem ursprünglichen Bauchgefühl und der Tatsache, dass ich bereits zugestimmt hatte, ging los. Ich habe eine Reihe von Ideen durchgespielt, wie ich absagen oder irgendwie aus der Situation rauskommen könnte oder habe versucht zu manifestieren, dass die andere Person mir absagt. Naja, letzteres hat nicht so gut funktioniert. Oftmals, etwa eine Stunde bevor ich dorthin musste, habe ich mir eine Ausrede einfallen lassen (oder, wenn ich ehrlich bin, eine kleine Notlüge) und fühlte mich danach noch viel schlechter und schuldig, weil ich weder mir selbst noch der betroffenen Person gegenüber ehrlich war. Die ganze Situation hat mich krass viel Energie gekostet. Stell dir vor, wie viel Energie ich gespart hätte, wenn ich einfach ehrlich gewesen wäre und von Anfang an Nein gesagt hätte.
Hier ein kleines "Geheimnis", das ich damals in der Therapie gelernt habe: Nein zu sagen ist nicht nur in Ordnung, sondern für unser Wohlbefinden unabdingbar. Überraschung! Nein zu sagen ist eins der wirksamsten Mittel zur Selbsterhaltung; das uns helfen kann, klare Grenzen zu setzen und unsere geistige und körperliche Gesundheit zu schützen.
Was ich damals nicht verstand: Wenn ich zu anderen „Nein“ sage, sage ich eigentlich „Ja“ zu mir selbst. Ein dickes, fettes Ja. Nein zu sagen ist Selbstfürsorge. Nein zu sagen ist für dich. Es gibt 5 sehr wichtige Faktoren oder, sagen wir mal, Ergebnisse, wenn du tatsächlich Nein sagst. Du priorisierst deine Bedürfnisse, respektierst deine Zeit, bewahrst deine Energie, schützt deine emotionale Gesundheit und schätzt letztlich deine persönliche Zeit.
Nein zu sagen bedeutet ganz klare Grenzen zu setzen, und diese Grenzen sind eine direkte Reflexion deines Selbstwertgefühls, deiner Selbstachtung und eben nicht Egoismus. Indem du diese Grenzen setzt, schaffst du Raum für das, was dir wirklich wichtig ist, und pflegst eine gesündere Beziehung zu dir selbst und letztlich auch zu anderen. Es macht dich menschlich und authentisch. Zudem gibt es dir die Chance, in Situationen, in denen du dann „Ja“ sagst, präsenter und wirksamer zu sein. Während es schwierig sein kann, Anfragen abzulehnen, insbesondere von Menschen, die uns am Herzen liegen, kann Nein sagen, unsere Beziehungen also tatsächlich verbessern. Und andersherum darüber nachgedacht; Wenn die andere Person Grenzen setzt, gibt es auch dir die Chance, authentisch zu sein und ebenfalls Grenzen zu setzen. Stell dir vor, was das für einen positiven Effekt auf deine Beziehung zu dieser Person und euer gegenseitiges Verständnis haben kann. Man lernt sich nochmal auf eine ganz andere Art und Weise kennen. Andere Menschen können dir keine Grenzen setzen. Sie haben das zwar Recht, dich um etwas zu bitten, Selbsterhaltung liegt dann aber in deiner Verantwortung.
Ich denke, das Warum sollte inzwischen klar sein. Es geht nur, wie immer, um das verdammte Wie. Es ist wie mit jeder neuen Fähigkeit, die wir erlernen, Training. Wir müssen es immer und immer wieder wiederholen und irgendwann wird es dann einfacher. Um es von Anfang an ein wenig einfacher zu machen, kannst du aber auch mit der sogenannten „Sandwich-Methode“ beginnen, um nicht unhöflich oder rücksichtslos zu wirken. Es handelt sich um einen Ansatz, bei dem wir uns für eine Einladung oder Anfrage bedanken, höflich ablehnen und eine Alternative oder weitere Unterstützung anbieten können. Aber ehrlich gesagt fällt es mir schwer, diesen Schritten zu folgen. Wie ich es mache, ist ganz ehrlich zu sagen, dass ich nicht genug Energie habe, mir schon wieder zu viel aufgeladen habe oder einfach etwas Bibi-Zeit brauche. In der Regel sollte Verständnis bei deiner Familie oder Freunden vorhanden sein, und wenn nicht, lass es deren Problem sein.
Ich denke, warum es mir persönlich so schwer fällt, Nein zu sagen, weil ich weiß, wie schwer es sein kann, ein Nein zu bekommen. Wenn jemand Nein zu mir sagt, fühle ich mich oftmals abgelehnt. Irrational? Yep. Egozentrisch? Yep. Aber ich habe oftmals ein „Nein“ von anderen mit einer klaren Ablehnung assoziiert. Und wieder: Rate mal, woher das kommt; wieder aus meiner Vergangenheit. Als Kind verstehen wir nicht, was ein Nein unbedingt bedeutet. Wir fühlen uns abgelehnt und die einzige Erklärung, die wir als Kind haben, ist, dass es mit uns als Person verbunden sein muss. Niemand erklärt uns, zumindest nicht mir, dass es nichts mit uns zu tun hat. Deine Eltern, Verwandten, Freunde oder welche Person auch immer praktizieren ebenfalls nur Selbstfürsorge und setzen klare Grenzen. Und das ist absolut in Ordnung. Man wird nicht als Person zurückgewiesen, es hat nur mit den anderen und deren Bedürfnissen zu tun.
Und noch ein kleiner Fun-Fakt oder sagen wir mal ein Therapie Skill, den ich nutze, um das Ganze etwas zu vereinfachen. Ich habe dieses Stück Papier an meiner Wand, auf dem 1000 Neins geschrieben stehen. Jedes Mal, wenn jemand, in welchem Zusammenhang auch immer, „Nein“ zu mir sagt und ich mich dadurch zurückgewiesen fühle, streiche ich eines der Neins durch. Sobald man alle abgehakt hat, hat man angeblich gelernt, ein Nein zu akzeptieren, ohne das ein Gefühl der Ablehnung aufkommt (zumindest hat mir das meine Therapeutin gesagt). Ich bin noch nicht durch mit meiner Liste. Aber lass dir eins gesagt sein. Es fühlt sich tatsächlich gut an durchzustreichen. Es nimmt dem Ganzen auf spielerische Art und Weise das negative Gefühl und die Schwere. Für mich fühlt es sich dadurch einfacher an, das Gefühl loszulassen. Sobald ich ein weiteres Nein durchgestrichen habe, ist es irgendwie gefühlt ein wenig mehr aus meinem System.
Also nutze deine Kraft, Grenzen und Prioritäten zu setzen. Und denk daran, dass deine Bedürfnisse wichtig sind und es nicht in deiner Verantwortung liegt, auf Kosten des eigenen Wohlbefindens immer auf die Wünsche anderer einzugehen. Die Kraft zu nutzen, „Nein“ zu sagen, ist ein Akt der Selbstliebe, der es dir ermöglicht, dich selbst mehr zu lieben und authentisch zu leben. Also lasst uns alle mutig „Nein“ sagen, wenn es nötig ist, ein „Nein“ akzeptieren und unseren Selbstwert durch Selbstfürsorge und Mitgefühl stärken.
xx baj.