Und meiner Meinung nach kann man nicht nur die Außenwelt verändern, sondern auch die eigene Innenwelt. Viele berühmte Künstler fanden ihre größte Kreativität im Schmerz. Aus Herzschmerz, aus mentaler Instabilität oder Krankheit oder aus lebensverändernden Ereignissen. Kreativität kommt von Herzen, im Guten wie im Schlechten.
Es hat seinen Grund, warum es in Reha-Einrichtungen eine Kunst- und Handwerkstherapie gibt. Viele Menschen, die ich während der Therapie und auf meinem Weg kennengelernt habe, haben einen Sinn darin gefunden, kreativ zu sein. Und damit meine ich nicht Geld damit zu verdienen. Nein, es geht mehr darum, Gefühle zu fühlen und auszudrücken, mit den eigenen Händen etwas Besonderes zu erschaffen, ohne den Druck etwas perfekt machen zu müssen. Es geht nur ums Kreieren, darum, deinen Geist davon abzuhalten, sich non-stop im Kreis zu drehen, und deinen ganzen Fokus von deinen Gedanken auf dieses einfache, aber irgendwie komisch-schöne Ding zu richten, das du erschaffen hast.
Bei mir gab es in der Therapie Tage, an denen ich das Ganze nicht allzu ernst genommen habe, weil die Aufgabe, die uns der:die Therapeut:in gab, zu lustig war, wie z.B. ein Hassquadrat zu malen oder einen Vulkan, in den ich alle „schlechten“ Gefühle hineinwerfen und sie verbrennen sollte. Vielleicht haben wir uns auch einfach darüber lustig gemacht, weil wir gerade noch nicht bereit dazu waren, uns den damit verbundenen Emotionen zu stellen, aber darum geht es hier auch gar nicht. Diese Art der Therapie ist gut, um zu lernen, ok damit zu sein etwas Unvollkommenes zu schaffen, um zu lernen loszulassen und zu sehen, welche Emotionen hochkommen. Das ist großartig und hilft, aber das ist nur ein kleiner Teil der Kreativität, von der ich hier spreche. Ich will hier den Fokus vielmehr auf die Kreativität lenken, die direkt aus dem Herzen kommt, auf die Magie, die meist alleine entsteht und all deine Konzentration und Leidenschaft in einer Aufgabe bündelt. Die Kreativität, die dich nachts und in Momenten der Stille und des Nichtstuns einholt. Die Kreativität, die oftmals aus tiefer Verzweiflung und Schmerz entsteht.
Ich spürte den Ruf wieder kreativ sein zu wollen und zu nähen in meinen verletzlichsten und hoffnungslosesten Momenten in der Reha. Da war dieser kleine Funke, dieser innere Drang, etwas Neues zu erschaffen. Genau das war ein Funke Hoffnung und Licht an einem sehr dunklen Ort zu der Zeit. Es war eine neue Aufgabe, die ich damals so dringend gebraucht habe, um weiter zu machen, und die weder mit Druck noch mit irgendeinem Zeitlimit verbunden war. Etwas bei dem mich niemand bewerten konnte, da ich das eben nur für mich geschaffen habe. Gefühlt war es das erste Mal seit langem, dass ich etwas erschaffen habe, ohne ein Ziel oder den Druck etwas erreichen zu müssen. Und, ich sags dir, das hat sich so frei angefühlt, es hat mir geholfen morgens wieder aufzustehen, es hat meinen Schmerz etwas gelindert und mich letztlich dazu gebracht, etwas zu tun, von dem ich vergessen hatte, dass ich es früher so sehr geliebt habe. Es hat mich zum ersten Mal seit dem ich ein Kind war, dazu gebracht wieder voll im Augenblick zu sein und nur dort, nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Dies war und ist noch immer ein wichtiger Teil meiner Heilungsreise.
In Zeiten in denen wir Leiden und des Unglücks, greifen wir oft auf verschiedene Methoden zurück, in der Hoffnung zu heilen und Trost für unsere Seele zu finden. Während traditionelle Therapieformen und Medikamente eine entscheidende Rolle im Heilungsprozess spielen können, ist meiner Meinung nach gerade Kreativität als Weg zur emotionalen und spirituellen Wiederherstellung von entscheidender Bedeutung.
Für mich ist und bleibt der Schlüssel zu einer ganzheitlichen Heilung, und das ist nicht das erste Mal, dass ich das sage, eine Kombination aus „traditioneller“ Therapie, Körper- oder Bewegungstherapie, einer spirituellen Praxis sowie Kunst und Kreativität, in welcher Form auch immer.
Gerade in schweren Zeiten kann Kreativität einen erden und Hoffnung schenken. Durch künstlerischen Ausdruck können wir tiefen Zugang zu unsere Emotionen bekommen und lernen diese auf andere Art auszudrücken, uns finden, Achtsamkeit fördern und Resilienz schaffen. Wir können fühlen und einfach sein, unabhängig davon, was wir am Ende erschaffen. Es geht um den Prozess und nicht um das Ergebnis. Ob wir malen, schreiben, tanzen oder Musik machen, der Akt des Kreierens hat die Kraft, unsere Seele ein wenig mehr zu heilen und den Funken der Transformation in uns zu entzünden. Also lass uns unsere angeborene Kreativität wiederfinden und uns auf dem Weg der Heilung und Ganzheitlichkeit begleiten.
Welche kreative Schöpfung ist es, die dein Inneres wieder zum Leuchten bringt?
xx baj.